Eine besondere Form des typisch britischen Understatements boten die handgefertigten Automobile von Bristol aus Filton im englischen Südwesten: Ebenso teuer wie exklusiv, fallen sie, wenn man überhaupt mal ein Exemplar zu sehen bekommt, gar nicht auf, obwohl gerade diese Unauffällig doch irgendwie schon wieder auffällig ist.
Die Geschichte von Bristol beginnt 1910 mit Sir George White, der bald sehr erfolgreich Flugzeuge bauen wird. Diese Entwicklung führt bis zu den zweimotorigen Jägern und Bombern „Bristol Blenheim“ und Bristol Beaufighter“, die bis 1945 in relativ großen Stückzahlen entstehen. Allerdings endet der Bedarf mit dem Zweiten Weltkrieg – Bristol benötigt ein neues Betätigungsfeld und versucht sich in der Konstruktion von Automobilen. Und hier nun beginnt eine bis heute nicht ganz geklärte Geschichte, die eng mit BMW verwoben ist.
Bristol entschied sich 1946, nachdem man eigene Prototypen hergestellt hatte, für die Übernahme des kleinen und feinen Sportwagenherstellers Frazer-Nash, benannt nach dessen Gründer Archie Goodman Frazer Nash, der die Firma 1924 gegründet hatte. Bereits 1926 übernahmen die Brüder H.J. Und W.H. Aldington das Unternehmen. Ab 1934 wurde man Generalimporteur für BMW in Großbritannien. H.J. Aldington hatte obendrein die Nutzungsrechte zu einigen BMW-Baumustern erworben und die Frazer-Nash-BMW wurden mit dem Motor nach Vorlage des legendären BMW 328 sehr erfolgreich im Rennsport. Dann kam der Krieg. H.J. Aldington kam im Frühsommer 1945 als Colonel der Britischen Armee ins soeben besetzte Deutschland und schaffte weitere BMW-Pläne als Reparationsleistung nach England. Außerdem kaufte er einen der originalen BMW-Stromlinien-Rennwagen für die Mille-Miglia von 1940, die kriegsbedingt freilich nicht mehr zum Einsatz gekommen waren.
So erzählt es die eine Geschichte, und spricht von Diebstahl geistigen Eigentums und Patentverletzungen. Das BMW-Knowhow kam also über Frazer-Nash bei Bristol zum Tragen, und der erste Bristol, Typ 400, trug nicht nur die BMW-Niere als Kühlergrill, sondern hatte den 328-Sechszylinder unter der Haube.
Colonel Aldington hatte jedoch 1934 bereits Franz Josef Popp, den BMW-Generaldirektor, persönlich kennen gelernt. Auch hatte der englische Rennfahrer Richard „Dick“ Seaman, der erfolgreich auf Frazer-Nash unterwegs gewesen war, 1938 Erica, die Tochter Popps, geheiratet. Das könnten also beste Beziehungen zwischen Engländern und Deutschen in denkbar schwierigen Zeiten gewesen sein… Colonel Aldington nahm dann auch noch den genialen Konstrukteur Fritz Fiedler mit nach Bristol und schon nahm die Sache fahrt auf. Vielleicht war nämlich alles abgesprochen, um durch harte Zeiten ohne dumme Fragen zu kommen. Die Bristol hießen 400, 401, 402, 403 und so weiter. Vor dem Krieg führte BMW die 300er Reihe, z.B. 327, 328, 335. Nach dem Krieg ging es dann mit der 500er-Serie weiter, 501, 502, 503, 507. Wie ein freiwilliger Verzicht auf die 400 in Hinsicht auf Bristol in England! Und auch die Niere, ureigenstes BMW-Design-Monument, untersagte man zwar den ehemaligen Kollegen in Eisenach/DDR, die aus dem BMW einen EMW ohne Niere machen mussten; bei Bristol hingegen blieb die Niere bis 1955, zum Ende des Modells 403, im Programm.
Die sehr exklusiven Fahrzeuge bekamen in den 60ern schließlich V8-Motoren von Chrysler, blieben aber äußerlich „understated“, wie es die Manufaktur betonte. Immer weniger Bristol entstanden, bis 2011 die Insolvenz nicht mehr abzuwenden war. Die Frazer-Nash-Gruppe hat Bristol schließlich übernommen, womit sich ein alter Kreis wieder schließt. Die Zukunft soll exklusive Fahrzeuge mit E-Antrieb oder auch Hybridtechnik sehen, vielleicht wieder in Zusammenarbeit mit BMW. Es dürfte ein spannendes Thema bleiben.