Die AvD-Histo-Monte, was ist denn das überhaupt? Es ist die Möglichkeit, mit einem klassischen Fahrzeug auf eigener Achse und unter sachkundiger Führung die schönsten Originalstrecken aus mittlerweile 106 Jahren Rallye Monte Carlo selbst zu erfahren. Dabei werden durch viele Sondergenehmigungen Dinge ermöglicht, die sonst undenkbar sind.
Die Rallye Monte Carlo wurde 1911 aus der Taufe gehoben und war ursprünglich eine Sternfahrt aus ganz Europa nach Monaco, wobei bei widrigsten Umständen die teilnehmenden Fahrzeuge auf ihre Tauglichkeit geprüft wurden. Wer in den frühen Jahren diesen beinharten Wettbewerb gewinnen konnte, der hatte echte Argumente im Verkauf. Ganz ähnlich verhielt es sich ab 1928 mit den Siegen auf dem Nürburgring: „Jeder lobt, was Nürburgring-erprobt“ war ein gängiges Bonmot.
In der Frühzeit schon stand das Casino von Monte Carlo als Ziel fest, und die Starts in den verschiedenen Ländern wurden ebenfalls oft an einem Casino veranstaltet. Daher kommt der klassische Start in Bad Homburg, der allerdings aus Platzverhältnissen heute vermieden wird. Nicht weit entfernt liegt die Klassikstadt in Frankfurt, jenes vierstöckige, dreiflügelige Backstein-Industriedenkmal mit großem Innenhof, das sich hervorragend für alles rund um eine so große Oldtimer-Rallye eignet.
Die originale Monte geht teilweise über abgesperrte Wertungsprüfungen, die so schnell wie möglich gemeistert werden müssen. Das ist bei der historischen Ausgabe natürlich nicht der Fall. Die Wertungsprüfungen sind vor allem Gleichmäßigkeitsläufe, hinzu gesellen sich geheime Durchfahrtskontrollen, die es den Teams nicht ganz so einfach machen, im vorderen Feld zu landen. Jedenfalls ist ein Sieg bei der AvD-Histo-Monte ein besonderer Erfolg, der auch im Rallyekalender wahrgenommen wird.
Der Vortag
Dienstagmorgen in der Klassikstadt Frankfurt. Das große, dreiflügelige Backsteingebäude aus der Kaiserzeit liegt um halb acht noch ganz still in der Dämmerung. Bereits Montag wurde alles für die 82 startenden Teams zur 21. AvD Histo-Monte vorbereitet. Im zweiten Stockwerk der alten Fabrik ist das temporäre Büro der Agentur PlusRallye eingerichtet, wo gleich, ab 11 Uhr, die Dokumentenabnahme stattfinden wird.
Langsam kommt nun Schwung in den Laden und die ersten Fahrzeuge treffen im weitläufigen Innenhof ein, die sich in den nächsten Tagen auf das große, klassisch motorisierte Abenteuer nach Monte Carlo begeben werden. Links und rechts wird dieses Szenario stilvoll von zwei gläsernen Schaukästen im XXL-Format eingerahmt, in denen die Audi Tradition zwei eindrucksvolle Rallye-Ikonen ausgestellt hat. Dabei auch Walter Röhrls Audi Sport quattro S1, der inzwischen von vielen Gästen mit Kameras umlagert wird.
Nun hat das Team in der Dokumentenausgabe alle Hände voll zu tun, denn der Andrang der Teilnehmer wächst in der Mittagszeit. Jacken werden ausprobiert, die praktischen Kunststoffkästen von Bott ausgegeben mit Roadbook und allem, was für die Rallye gebraucht wird, dazu eine großes Winterset von Sonax, um auch im Hochgebirge den klaren Blick zu bewahren.
Im Hof machen sich die ersten auf den Weg zur Eichstrecke, um ihre Messgeräte onboard auf die richtige Gangart zu trimmen, während der TÜV Süd die technische Abnahme durchführt. Glanz haben die Prüfer auf den Augen, wenn zum Beispiel beim Porsche 911 mit kurzem Chassis von 1968 die Klappen geöffnet werden: ein Auto, original dem Monte-Siegerwagen von Vic Elford nachempfunden, ungedämpft und abgestrippt bis aufs blanke Blech, auf dem der Überrollkäfig verschraubt ist. PlusRallye-Moderator Peer Günther stellt die Fahrzeuge der Reihe nach vor, und das Publikum geht mit, bis ein Raunen durch die Menge geht: er ist da!
Auf dem Parkplatz bildet sich eine dichte Traube um den soeben eingetroffenen Audi Quattro A2, dem nun der zweifache Rallye-Weltmeister Walter entsteigt. Der „Lange aus Regensburg“ muss sofort den Edding zücken und Rallyeschilder, Plakate und alles andere signieren, Motorhauben und sogar das ferngesteuerte Modell eines Audi quattro samt Karton von 1982. „Den habe ich selbst als Kind geschenkt bekommen“, so der Autogrammjäger, „ich war schon immer Röhrl-Fan, wie man daran leicht erkennen kann“, und der nun mit Unterschrift gekrönte Westentaschen-Bolide wird ganz vorsichtig verstaut.
Das breite Feld der Skoda-Fahrzeuge fällt auf, was aber auch kein Wunder ist. In den nächsten Tagen wollen die Tschechen an den ersten Monte-Klassensieg erinnern, der ihnen vor genau 40 Jahren geglückt ist. Und im Publikum auch eine Rallye-Legende aus der ehemaligen DDR. Wir wechseln einige nette Worte mit Egon Culmbacher, der einst auf Wartburg 353 erfolgreich unterwegs war.
Nach einem Fahrer-Lehrgang mit dem AvD-Histo-Monte-Initiator und fünffachen deutschen Rallyemeister Peter Göbel folgte am Abend eine Begrüßung und das Fahrerbriefing, bevor der Abend mit einem Fahrerfest in der Klassikstadt Frankfurt zuende ging. Nun wartet alles auf den Start der 21. AvD-Histo-Monte!
Tag 1: Von Frankfurt über Geroldsau nach Freiburg
Über den Fluß auf den Berg und durch die tiefen Wälder
Milchig schält sich die Silhouette der Mainmetropole aus dem Dämmerlicht des Morgens. Dampf steht vor den Gesichtern, die Kragen hochgeschlagen, Mützen tief in die Stirn gezogen. Endlich feuern die ersten Gasstöße über den großen Hof der Klassikstadt, das Konzert der warmlaufenden Maschinen schwingt im Grundton der alten offenen Vierzylinder, im Bass dazu die Sechs- und Achtzylinder, die eine gemeinsame Fanfare intonieren: Los geht’s! Auf zur AvD-Histo-Monte 2017!
Und während die ersten Wagen numerisch in Aufstellung gehen, brühen und zapfen die tapferen jungen Damen von Botts Unmengen an heißem Kaffee, um die letzte Müdigkeit in den blauen, nur ganz leicht verhangenen Himmel zu vertreiben. Der erste Fahrerabend, das traditionelle Briefing durch Initiator Peter Göbel mit Kennenlernen und Wiedersehen der teilnehmenden Teams, hat am Vorabend vernünftigerweise nicht allzu lang gedauert.
Nun läuft der Countdown und die Startnummer 1, Dietmar Gornig, der Vorjahressieger, macht sich im Audi Urquattro auf die Reise zum ersten Tagesziel nach Freiburg im Breisgau. Im Halbminutentakt folgen die Fahrzeuge und verlassen auf dem schnellsten Weg über ein paar Autobahnkilometer die Stadt, um bald schon in den schönen Odenwald auszuweichen und jene Wege zur Hirschhorner Höhe einzuschlagen, die Bilder produzieren, wie man sie nur noch aus der Vergangenheit zu kennen scheint.
Sie sind noch alle so wohltuend unterschiedlich, jeder Schwung, jeder Buckel ist anders, ja, manchmal erscheinen die Automobile von einst kaum artverwandt, und sie beleben die kurvigen Nebenstraßen über Berg und Tal mit eben diesem besonderen Flair vergangener Zeiten, auf das sich auch mancher Zuschauer am Wegesrand gefreut hat. Denn wie immer wurde entlang der Etappen wieder in großzügiger Auflage das Programmheft verteilt, und so wissen die Odenwälder Nummer für Nummer, was dort im Morgenlicht vorbei rauscht.
Dann schlängeln sich die Straßen durch die Wälder hinunter bis nach Sinsheim, und der Odenwald bleibt hinter dem Feld zurück. In den Schwarzwald geht es hinauf, und dunkel verschieben sich die haarscharf gerissenen Silhouetten der dicht bewaldeten Kämme in jenen Nebelfetzen, die einst schon bei Wilhelm Hauff und seinem „Kalten Herz“ für ein wohliges Erschauern gesorgt haben. Aber doch geht es den Alpen entgegen, und allen ist das mittags an der Geroldsauer Mühle ins Gesicht geschrieben: In die Alpen! Der Schwarzwald ist schön. Aber wir wollen in die Alpen.
Pech hat allerdings ein Team, dessen Lancia Fulvia Coupé mit Motorschaden ausfällt. Schnell kann die Reise mit einem alten Automobil bei unüblicher Belastung zu Ende sein, alle wissen das, und alle in der Gemeinde der echten Petrol-Heads fürchten diesen lähmenden Moment.
Wir freuen uns jedoch auf ein Wiedersehen bei der AvD-Histo-Monte 2018!
Am Nachmittag macht sie wieder einmal das neue PlusRallye-Roadbook nützlich, das ohne die Chinesenzeichen auskommt, bei denen man so höllisch aufpassen muss und die zuverlässig den Genuss mancher Panoramen trüben.
Das Starterfeld schlängelt sich hinauf an den Hohen Ochsenkopf, links, rechts, links, aber doch hält die große Kompassnadel über allem ganz stoisch nach Süden. Über Elzach und Waldkirch geht es hoch und höher bis in die kalte Stille auf dem verschneiten Kandel, dann endlich führt das Roadbook hinab ins Rheintal und am frühen Abend ist das Freiburger Dorint Hotel an den Thermen nach 442,91 Tageskilometern erreicht, um dort einen entspannten Abend unter Freunden bereit zu halten.
Tag 2: Von Freiburg über Malbuisson nach Aix-les-Baines
Und alles andere bleibt da unten zurück…
Man könnte in gewohnter Manier ja damit beginnen, wie sich die Teams noch einmal wohlig in den Betten wälzen, außerhalb von Freiburg, im komfortablen Dorint-Hotel an den Heilquellen.
Man könnte.
Aber stellen wir uns doch lieber etwas später, gegen halb acht, ein paar hundert Höhenmeter weiter oberhalb auf den Schauinsland, den Hausberg der Freiburger, der noch starr und blau in der winterlichen Kälte schläft. 780 Höhenmeter Bergrennstrecke, die sich auf zwölf Kilometern in 173 Kurven zur Passhöhe winden. Von 1925 bis 1984 war es die längste Herausforderung dieser Art in Deutschland überhaupt.
Und während an den schönsten Kurven schon so manche Fotografen bibbern, kommt da etwas herauf. In kurzen, gut dosierten Stößen, unüberhörbar, unaufhaltsam, unmissverständlich.
Es ist die ganz spezielle Morgengabe der Audi quattro.
Startnummer 1, die Vorjahres-Histo-Monte-Champions Dietmar Gornig und Stephan Hinze erreichen zuerst den Scheitel, dann dauert es nur noch wenige Augenblicke und die Startnummer 8 kommt vorbei geflogen, kaum einen Moment für den Auslöser lassend. Walter Röhrl in seinem Element. Schauinsland. Freie Fahrt, nix los, kein knebelndes Hinke-Limit, dazu klare Luft, und die Temperatur deutlich unter null. „Das war sehr schön,“ sagt er später, „vor allem, weil die Strecke nicht ganz trocken war.“
Dann folgen die Startnummern 2 bis 7, 9 und so weiter…
Hoch auf dem Pass gibt es Kaffee bei Botts und nun erstrahlt die Sonne im Osten, während die Täler noch in tiefes Nebelmeer gehüllt sind.
In weiten, unendlich weiten Wogen schieben sich vor uns die Wipfel des hohen Südschwarzwalds hintereinander und sinken von Weite zu Weite ins intensivere Blau des unendlichen Sfumato, um das schon die Maler der Renaissance gerungen haben, bis es Leonardo selbst in den Kanon seiner hohen Kunst einfügte: alles vergeht undeutlich in der Ferne, nur der Weg dahin und hindurch, der liegt als Roadbook auf den Knien des Beifahrers.
Das Feld taucht wieder ab in den Nebelschwaden, auf und ab. Schmale Straßen, enge Kurven, steile Felsen, so geht es dem Rhein und somit der Schweiz entgegen. Dann Rheinfelden, alte Grenze, und den Initiatoren von PlusRallye ist es gelungen, die alte Bogenbrücke samt anliegender Altstadt für die AvD-Histo-Monte zu öffnen. Was sonst nur noch den Fußgängern erlaubt ist; hier rollen nun die automobilen Raritäten, und das Publikum ist ebenso bunt wie jung und alt, vom schwarzen Biker bis zum neugierigen Kiga-Stöpsel.
Aus dem Rheintal heraus steigt die Route alsbald ins Obere Jura, und auch hier wird die traditionsreiche Bergrennstrecke St. Ursanne – Les Rangiers in das Roadbook eingebunden; Kurven, wie sie sein müssen!
Doch schnell ist die Schweiz wieder verlassen und der Weg führt nun konstant nach Süd-West, wie eine Verheißung., fast schon wie ein erster leiser Ruf aus Monte Carlo.
Am Lac de Saint-Point, in Malbuisson wird mittags schließlich getafelt, und wieder sind über 300 Kilometer bewältigt. Aber der Sonnenschein entschädigt für das freiwillig installierte Sportgestühl, das im Tageslauf der polternden Nebenstraßen gern mal die kommode Maske fallen lässt, um sich als grobschlächtige Büßerbank zu präsentieren.
Doch wer hätte es anders gewollt?
Denn ja, es ist eines der letzten Abenteuer aus den goldenen Zeiten der Motorisierung. Seit 1911 führt die Sternfahrt in das kleine Fürstentum der Grimaldis. Und wie auch immer sich die Zeiten entwickeln werden – wer das noch erleben möchte, der sollte sich sputen, wer weiß? Die Rallye selbst ist immer mit der Zeit gegangen, aber ihre Hommage huldigt den großen Jahren, in denen die individuelle Mobilität als ein unschätzbarer Grundzug unserer Freiheit begriffen wurde.
Die vierte Etappe im Anschluss führt nun endlich hinauf in den Schnee. Durch den Parc naturel de Haut Jura und bald auch in Serpentinen hinauf auf den Col de Menthieres. 200 Kilometer gilt es so noch einmal zu bewältigen, bis in der Dunkelheit der Marktplatz von Aix-les-Baines als Tagesziel erreicht wird. Hier in der Stadt der heißen Schwefelquellen, bereits mondänes Reiseziel der Belle Epoque, bereitet sich die 21. AvD-Histo-Monte auf den dritten Tag vor, der über Grenoble und Crots bis an die Côte d´Azur führen wird.
Tag 3: Von Aix-les-Baines über Crots nach Cannes
Wenn die Sonne durch den Nebel bricht
Aix-les-Baines, und der Morgen des dritten Tages zeigt einem im Dunkeln vorerst die nasse, kalte Schulter. Die Nacht hindurch hat es geregnet, aber das ist vollkommen nebensächlich. Und nach dem Restart um 7.15 Uhr wird schnell gewiss, dass nun endlich der Winter wartet.
Als das Blau des Morgens durchbricht, starten die ersten Fahrzeuge zur 13. Prüfung hinauf auf den Mont Revard. Was als flüchtiger Schneematsch beginnt, gewinnt mit der Höhe an Festigkeit und schließlich erstreckt sich eine blendend weiße Landschaft unter strahlend blauem Morgenhimmel, wie im Bilderbuch.
Immer weiter geht es über unzählige Kurven und Kehren, bis mit dem Col du Lautaret auf 2058 Metern ein erster großer Höhepunkt des Tages erobert wird.
Überhaupt werden diee Kurven und Kehren das Gebot des Tages sein. Im Gebirge gibt es keine alten Wege, die gerade sind. Der Abstieg ins Tal und die Runden auf der Eisbahn des Circuit Serre Chevalier indes können den nahenden Frühling nicht mehr verleugnen. Zu warm ist es bereits in den letzten Tagen gewesen, und dort einmal die Kuh so richtig fliegen zu lassen. Und überhaupt bemerkt man wieder dieses Wunder des Lichtes. Plötzlich ist es da, dieses mediterrane Gefühl, das sich erst im Gemüt ausbreitet, bevor man es gedanklich zu fassen bekommt. Kein Wunder, dass Generationen von Malern in diesen gesegneten Landstrich geflohen sind, um der winterlichen Tristesse der Großstädte des Nordens zu entkommen.
Nach der 15. Prüfung wird in der Mittagszeit nach 276 Kilometern der 5. Gesamtetappe das Restaurant „Les Bartavelles“ in Crots erreicht. Es ist ziemlich genau die Hälfte an Tageskilometern, denn die 6. Etappe hält noch einmal 278 unvergleichlich kurvige Kilometer bereit.
Die Tour führt nun am glasklaren Lac de Serre Poncon entlang, überquert ihn und steigt auf den 1110 Meter hohen Col Lebraut. Aber alles das ist nur Vorgeschmack auf die unwirklich erscheinende Ansammlung von Haarnadelkurven, mit denen die schmale Straße sich später wie eine große Schlange vom Col de Sagnes ins Tal von Bayons hinunter windet, überkrönt von einem mächtigen Panorama aus schneebedeckten Gipfeln in der fernen Höhe.
Über Sisteron mit seiner mächtigen Zitadelle folgt die Etappe nun dem Tal der Durance, um anschließend den Col d´Espinouse zu erklimmen. Aber das größte Naturschauspiel des Tages präsentiert in der Dämmerung: Der Grand Canyon Frankreichs, die Schlucht von Verdon, wird auf halber Höhe von einer atemberaubenden Panoramastraße durchmessen, die als 19. Wertungsprüfung unter die Räder genommen wird. Viele, viele Kurven und Kehren wurden bisher schon gemeistert, nun gibt es sozusagen noch einmal den Nachschlag en gros, gefolgt von zahllosen weiteren Richtungswechseln. Wer nun am Abend endlich die ersten Olivenbäume, dann auch Palmen und Citrusbäume ausmacht, der hat sich dieses Stück Frühling im Winter wirklich redlich verdient. Und endlich erreicht man die Palmenpromenade von Cannes und dahinter rauscht leise das Mittelmeer, schlagen die ruhigen Wellen an den Strand und vor uns erhebt sich das Pullman Royal Casino, Hotel direkt am Meer, Ausgangspunkt für das große Finale am Samstag!
Tag 4: Von Cannes über den Col de Turini nach Monte Carlo
Hinauf zu den Sternen
„Wenn ich hier oben bin, dann ist das wie früher. Vielleicht liegt es an dem großen Erfolg von damals. Aber auf dem Turini fühle ich mich dreißig Jahre jünger. Ich habe keine Sekunde bereut, hier noch einmal mitzufahren.“ So formuliert es Walter Röhrl am Kamin im Hôtel des Trois Vallées, wo ihm schon immer Mme Laetitias legendärer Blaubeerkuchen besonders geschmeckt hat.
Es ist der unbestrittene Höhepunkt des vierten Tages der 21. AvD-Histo-Monte. Vielleicht der Höhepunkt überhaupt bei dieser Zielfahrt auf historischen Originalstrecken aus über 100 Jahren Rallye Monte Carlo.
Dabei beginnt schon der Morgen mit einem besonderen Schauspiel, nach einem langen Winter.
Leichte Bewölkung an der Côte d´Azur, schnell hebt sich die Dämmerung über der Strandpromenade von Cannes, deren Beleuchtung wie eine funkelnde Perlenschnur das Land vom Meere trennt. Die blaue Stunde. Und beim Frühstück im seeseitigen Saal des Pullman Hotels Royal Casino steigt ein tiefroter Streifen aus dem Meer, gefolgt von einem Sonnenaufgang, der einen wunderbaren Tag verheißt: Es geht mit einem Hauch von Frühling hinauf auf den Col de Turini!
Doch erst einmal lauern gleich zwei Geheime DKs, um ordentlich in Schwung zu kommen. Wer jetzt das Roadbook nicht richtig gelesen hat, der zieht keinen Joker. Aber wie auch immer, die schmale Straße windet sich bei Les Gleirettes den Berg hinauf, wie ein Vorgeschmack auf die weltberühmte Passstraße in der Mittagszeit.
Und weiter geht es, über Col de la Sine und Col de Bleine, nun bereits 1439 Meter über dem Meer. Wie groß aber dann der Kontrast in der Tiefe, denn noch einmal geht es hinunter und am Grunde der Schlucht des Clue de St. Auban rauscht laut der schnelle Fluß, der diesen märchenhaften Schlund gegraben hat, durch den sie einst wie einen steinernen Aberwitz die Straße hindurchgetrieben haben.
Doch dann ist es endlich soweit.
Die Nadel im mechanischen Kompass dürfte fast kreiseln wie ein Propeller, denn das Hin und Her der Spitzkehren am Fuße des Turini lässt bereits ahnen, was nun kommt. Aber die Überraschung ist noch größer, denn oberhalb der letzten Häuser ist man plötzlich allein mit sich, dem Auto, der Straße und dem Himmel.
Gehöriger Respekt stellt sich ein. Dieses Ding bei Nacht bezwingen? Gegen die Uhr? Und gegen die Gewissheit, die droht, wenn nur ein Fehler geschieht…
Steiler wird der Fels, immer höher steigt das Band, immer weiter das Panorama, immer tiefer der Blick über die nur kniehohen Mauern.
Dann ist der Schnee wieder da, obwohl in Cannes bereits die ersten Blüten sprießen. Die Bäume werden weiß, unter dicken Bäuschen duckten sich die knorrigen Tannen und gefrorene Mauern aus verharschtem Schnee steigen am Straßenrand bis auf Augenhöhe.
Und oben dann, inmitten des plötzlichen Winters, die Pause im Hôtel des Trois Vallées, dem Haus der drei Täler, denn es führen auch drei Wege hinauf auf den Col de Turini mit seinen über 1600 Höhenmetern.
Bis auf den letzten Platz schieben sich die Teilnehmerfahrzeuge auf dem Parkplatz zusammen, ebenso eng aber freudig die Stimmung im Hause. Und mitten drin ein gelöster Walter Röhrl, der besonders gerührt zu sein scheint. Viermal Sieg auf vier verschiedenen Marken. Hier hat er alles erreicht, was man in seinem Sport erreichen kann. Die Monte ist die Monte. Und alle haben soeben eine Ahnung bekommen, was das wirklich an Herausforderung bedeutet.
Ebenso spektakulär folgt dann der Abstieg in Richtung Monte Carlo. Der Yachthafen von Monaco, dort, wo auch die offizielle Monte endet.
Aber erst einmal sind da wieder Serpentinen über Serpentinen, die teils in gemauerten Blöcken übereinanderliegen. Wer hat so etwas dereinst gebaut? Dann wandert eine bruchsteinerne Bogenbrücke in den Blick, die auf eine Kapelle zuläuft, die wie ein Adler auf dem Felsen thront, hoch über dem Tal und der Strecke, die schon so viele Stoßgebete erlebt haben muss.
Und noch immer geht es über kurvige Straßen weiter, so, als würde das nun für immer so bleiben.
Aber dann ist da plötzlich zwischen den Felsen diese unwirklich hohe Linie am Horizont, wo sich das Dunkelblau mit dem mediterranen Himmel verbindet: das Meer! Und wie in den schroffen Abgründen am Morgen schiebt sich der Verkehr nun durch die Häuserschluchten von Monaco, diesem eigenartigen Gebilde am Fuß des Gebirges, das in die Höhe wachsen musste, weil es keine Fläche mehr gibt.
Doch der Hafen bietet noch immer Platz für das Starterfeld, das nun die schmutzverkrusteten Klassiker abstellt, um diesen besonderen Triumph zu genießen: Es ist geschafft. 1730 Kilometer in vier Tagen, und niemand kann die Kurven zählen. Etwas Müdigkeit wird weggeblasen von der Besonderheit des Augenblicks. Es ist ein Erlebnis fürs Leben. Eine Erinnerung, die bleiben wird, ebenso wie die Freunde, die man gewonnen hat. Und die sagen sich am Abend nach der festlichen Abschluss-Gala ein Lebewohl bis zum nächsten Mal. Denn viele werden wieder dabei sein, wenn es im Februar 2018 heißen wird: Der Berg ruft! Zur 22. AvD-Histo.Monte!
Schöner Bericht. Ich war in Gedanken dabei.