Heute vor 125 Jahren, am 10. November 1890, wurde Carl Friedrich Wilhelm Borgward in Altona bei Hamburg geboren. Der Sohn eines Kohlenhändlers studierte Maschinenbau und stieg als Konstrukteur schon bald in eine kleine Kühler-Fabrik ein, die ab 1920 seinen Namen tragen sollte. 1924 entstand der „Blitzkarren“, ein Mini-Transporter, ab 1931 wurden erste kleine PKW gebaut. Bald kaufte er die Goliath-Werke und wurde so erfolgreich, dass er 1931 die angeschlagenen Hansa-Lloyd-Werke erwerben konnte. Die staatliche Förderung ab 1933 war auch für Borgward von Vorteil – 1944 hatten die Werke 9000 Beschäftigte. Allerdings wurden die Fabriken im Krieg fast vollständig zerstört und C.F.W. Borgward wurde als Industrieller interniert. Drei Jahre später ging der fast 60-Jährige an den Wiederaufbau und schuf mit den Borgward-Goliath-Lloyd Werken schon bald ein Sinnbild für das Wirtschaftswunder.
Fast 23.000 Mitarbeiter sollte der Konzern haben, bis 1955 an fünfter Stelle der Zulassungszahlen in Westdeutschland. 1960 geriet das Unternehmen in Schwierigkeiten, wurde 1961 vom Bremer Senat übernommen und ging in Konkurs. Was waren die Ursachen für einen Konkurs zu einer Zeit waren, in der die Autoindustrie eine Wachstumsbranche darstellte? Drei Unternehmen waren unter einem Dach zusammengeführt. Borgward produzierte Mittel-, Oberklasse und LKW, Goliath untere Mittelklasse und Transporter, Lloyd Kleinwagen und Kleintransporter.
Die drei Firmen waren autonom und hatten jede eine eigene Vertriebsorganisation. Das schadete wohl dem Konzern, weil die übliche Markentreue der Kunden keinen Aufstieg unter dem Dach des Konzerns von der einen zur anderen Marke ermöglichte. Erst 1961, nach der Katastrophe, änderten die anderen Firmen ihre Aufstellung, weil sie dieses Problem bei der Borgward-Pleite erkannt hatten.
Dazu kam, dass Carl Borgward den Banken misstraute. Er finanzierte lieber über Lieferantenkredite und wollte alleiniger Herr im Hause bleiben. Durch rückläufigen Absatz scheiterte dieses Modell 1960, als er die Kredite mangels Umsatz nicht mehr bedienen konnte. 1959 waren auf dem US-Markt die ersten „Compact-Cars“ wie der Chevrolet Corvair erschienen, was einem Großexporteur wie Borgward echte Schwierigkeiten bereite sollte. Es war der forcierte Einbruch der Amerikaner in das Angebot der Europäer. Und Borgward steckte in einer Modellkrise. Lloyd und Goliath hatten sich in zehn Jahren kaum verändert, die Isabella gab es bereits seit 1954 und es war nichts Neues in Sicht. Stattdessen setzte man auf den neuen Sechszylinder P100, dazu auf die Lloyd Arabella, die jedoch einige Kinderkrankheiten zu verdauen hatte.
Der Absatz geriet ins Stocken, Ende 1960 standen 14.000 Neuwagen auf Lager. Nachbesserungen bei der Arabella führten außerdem dazu, dass rund 30.000 Autos für 587 DM pro Stück unter den Herstellungskosten vertrieben wurden. 1960 gab es 27,5 Mio DM Verluste bei Lloyd, 3,3 Mio Verluste bei Goliath im Gegensatz zu 4,6 Mio Gewinn bei Borgward.
Der Bremer Senat gewährte in dieser Situation einen Kredit in Höhe von 30 Mio DM, der in drei Tranchen zu jeweils 10 Mio ausgezahlt werden sollte; im Dez. 1960, im Jan. 1961 und im Februar 1961. Die Bürgschaft dazu machte der Senat allerdings ohne Wissen Borgwards davon abhängig, ob die Ford-Werke den Konzern übernehmen würden. Ford sagte im Januar 1961 ab und der Senat bürgte nicht für die letzte Rate: damit war die Zahlungsunfähigkeit unabwendbar. Der Senat gründete daraufhin die Borgward AG als Auffanggesellschaft mit einem Kapital von 50 Mio DM. Dafür schied Carl Borgward aus der Geschäftsführung aus und übertrug seine Firmen ohne Gegenleistung. Sanierungsbeauftragter wurde ein Dr. Semler, Aufsichtsrat bei BMW. Alles ging schief, eine Restrukturierung war wohl erst gar nicht vorgesehen, Semler sollte den Laden einfach nur verkaufen. 12 Mio gingen an Spesen drauf, 1961 wurden 34 Mio Verlust eingefahren, danach gingen die Lichter aus. Nach den Werksferien waren 22.000 Beschäftigte arbeitslos. Carl Borgward starb gebrochen 1963, 1966 waren alle Schulden aus der Veräußerung der Konkursmasse beglichen. Eine 1A-Hinrichtung, wenngleich auch Fehler in der Modellpolitik gemacht worden waren.
BMW. Damals bauten die Münchner die Isetta, den 600 und 700, dann kam ein großes Loch ohne Mittelkasse und oben die großen Achtzylinder 3200 „Barockengel“, 503 und 507.
Ab 1962, ein Jahr nach der Borgward-Pleite, produzierte man die „Neue Klasse“, den Viertürer 1500, 1600, 1800 und schließlich 2000. Das rettete den damals maroden Laden. Es waren Autos, die genau in der Zukunfts-Palette von Borgward und Goliath gelegen hätten. Manche sagen daher heute scherzhaft, dass BMW nichts anderes heißt, als „Borgward macht weiter“. Es gibt aber auch Borgward-Freunde, bei denen man bis heute nicht mit einem BMW auf dem Hof parken darf. Anders sieht es da mit den Mercedes T-Modellen und den SLK aus. Diese werden heute im ehemaligen Borgward-Werk in Bremen-Sebaldsbrück gefertigt.